BUURTZORG-Kongress: Pflege ist im Aufbruch

Experten diskutieren im Rahmen einer Veranstaltung des Netzwerks Gesundheitswirtschaft Münsterland zukunftsweisende Möglichkeiten der ambulanten Pflege

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Steinfurt. Neue Wege in der Pflege: Im Rahmen einer Veranstaltung des Netzwerks Gesundheitswirtschaft Münsterland mit mehr als 200 Teilnehmern wurden zukunftsweisende Möglichkeiten der ambulanten Pflege in Deutschland vorgestellt. Dabei blickten die Teilnehmer auf das Erfolgsmodell BUURTZORG aus den Niederlanden, das dessen Gründer Jos de Blok vorstellte.

Der Funke sprang über. „Ich war in den Niederlanden und bin mit dem Buurtzorg-Fieber zurückgekommen“, sagte eine Teilnehmerin der Veranstaltung. Auch bei vielen anderen in Deutschland und anderen Ländern ist der Funke bereits übergesprungen. Und auch im Bundesministerium für Gesundheit findet Buurtzorg Unterstützer.

Dr. Christian Berringer vom Bundesgesundheitsministerium sagte, das Ministerium sei wach für interessante Neuansätze, Buurtzorg gehöre dazu. Es gehe nun darum, konkrete Erfahrungen zu sammeln. Die Überlegung, das Modell in einem bundesweiten Projekt wissenschaftlich zu evaluieren, sei ein richtiger Weg. Gerade bei diesem Projekt biete sich eine Vernetzung an. Ziel sei es, die Pflege besser in der Gesellschaft zu positionieren. „Das Bild der Pflege ist nicht schlecht, man darf als Pflegekraft selbstbewusst unterwegs sein.“

Buurtzorg sei ein Ansatz, der viele aktuelle Forderungen verbinde, betonte Dirk Ruiss, Leiter des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) in NRW: Dazu gehöre zum Beispiel die ganzheitliche, ambulante Pflege des Patienten und die enge Vernetzung. Ruiss stellte aber auch fest, dass es in Deutschland bisher andere Finanzierungslogiken gebe als in den Niederlanden. Den Krankenkassen sei es aus rechtlichen Gründen nicht möglich, von heute auf morgen eine Änderung herbeizuführen. Aber sie seien auf einem guten Weg. Zurzeit werde ein neues Abrechnungsmodell projekthaft bei Buurtzorg in Emsdetten getestet. Es brauche aber noch Zeit.

Prof. Dr. Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück bemängelte, dass „dass die Pflege uns in Deutschland bislang nicht viel wert gewesen ist“. Pflege müsse aber zum Dauerthema gemacht werden, statt Zufallsthema zu bleiben. Ebenso wichtig seien die Pflegenden, sowohl die professionellen als auch die Angehörigen. Man müsse den Pflegenden wieder den Raum geben, das zu tun, was sie anfangs veranlasst habe, den Pflegeberuf zu ergreifen. Buurtzorg kann – wie andere Initiativen auch – einen wichtigen Innovationsimpuls setzen, den Aufbruch zum Neuen mitzugestalten. Dieser müsse auch in der Pflegeausbildung berücksichtigt werden.

Jörn Schinzler, Geschäftsführer des von Buurtzorg inspirierten Pflegedienstes „Ich und Du“, berichtete über die guten Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg, wo es einen guten Abrechnungsrahmen gebe, in NRW sei das anders. Dort gebe es mehr Hemmnisse im Regelwerk. Er empfahl den Austausch der Länder und Kassen untereinander. „Da sehe ich auch die Pflegedienste gestalterisch in der Pflicht“, so Schinzler.

Mark Adolph vom Buurtzorg Team Hörstel sagte: „Für mich hat sich sehr viel durch Buurtzorg geändert. Ich mache alles nur noch mit dem Team und wir bestimmen gemeinsam, wie wir pflegen können.“ Ebenso wichtig sei es, dass das Team hinter einem stehe, wenn man mal Entlastung brauche. „Es macht Spaß, ich gehe gerne zur Arbeit. Denn es ist bei uns wie in einer kleinen Familie.“

Gunnar Sander, Sander Pflege Buurtzorg Deutschland, bestätigte, dass alle Entscheidungen in erster Linie im Team getroffen werden – auch die ökonomischen (zum Beispiel das Führen eines Kassenbuches) sowie Personalentscheidungen. Es sei wichtig, die eigenen Kompetenzen nicht so wichtig zu nehmen und Vertrauen in die Kompetenz jedes einzelnen Kollegen zu haben. Maßgeblich sei es auch, die Selbstorganisation der Teams zu fördern und die Buurtzorg-Ideen weiterzutragen, um auch in der Politik zu einem Umdenken zu kommen und Schwung in die gesellschaftliche Diskussion zu bringen.

Udo Janning, Projektkoordinator im Buurtzorg-Projekt, berichtete über die Organisation der Buurtzorg-Teams, die weitgehend eigenständig abliefe. Er habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Mitarbeitenden „auf dem kleinen Dienstweg“ oft deutlich schneller und besser abstimmen sowie ihre Abläufe koordinieren, als wenn dieses von einer übergeordneten Stelle wie zum Beispiel durch einen Pflegedienstleiter erfolge.

Dr. Stephan Dyckerhoff, CEO Buurtzorg Asia, unterstrich, Buurtzorg gebe den Mitarbeitern mehr Freiräume. Das Modell sei auch finanziell attraktiv, weil man Kosten rausnehme, die nichts mit Pflege zu tun hätten. 2014 sei Buurtzorg Asien gegründet worden und genieße dort mittlerweile eine sehr hohe Anerkennung.

Juliane van der Plaats, Buurtzorg-Gemeindepflegerin stellte das Buurtzorgweb und die Buurtzorg-Kommunikationsplattform vor. Hier könnten sich die Pflegenden schon vor Dienstantritt über alle aktuellen Entwicklungen bei den zu Pflegenden und den Kollegen informieren. Eine Übergabe und das Nachlesen der Pflegedokumentation werde dadurch überflüssig. Pflegende seien so bestens vorbereitet, wenn sie zu den Patienten kämen.

 

Unterstützt wird das Projekt „BUURTZORG“ durch das INTERREG-Programm:

 

Kernpartner:


         

Weitere Informationen zu „BUURTZORG“ finden Sie auch unter :  www.buurtzorg-deutschland.de

Ein Artikel zum Thema Buurtzorg finden Sie auch in der Ärzte Zeitung als Online-Version hier 
und in der Online Ausgabe  „Häuslicher Pflege“ auf Seite 11 Häusliche Pflege Buurtzorg Artikel 2018